Von Amos Oz
Wenn es um die Kernfragen des israelisch-palästinensischen Konflikts geht, ist die Distanz zwischen beiden Parteien noch immer groß. Aus diesem Grund wird die Annapolis-Konferenz nicht viel mehr sein als ein feierlicher Anlass, der – wenn überhaupt – von einer Erklärung über die Hoffung für die Zukunft begleitet werden wird. Bis zu einem großen Ausmaß sind beide Seiten Gefangene ihrer jeweiligen Extremisten, und diese Radikalen erlauben den Verhandlungsführern keine bedeutsamen Konzessionen.
Dennoch sollten wir uns vor Augen halten, dass die Klüfte zwischen den zwei Seiten diesmal kleiner sind, als sie es während der 100 Jahre von Wut und Leid waren. Beide Parteien akzeptieren den Grundsatz der Zwei-Staaten-Lösung, und beide erkennen die Tatsache an, dass die Grenze ähnlich verlaufen wird wie 1967. Beide Seiten sehen es als ihre Pflicht an, für die Fragen Jerusalems, der Siedlungen, Flüchtlinge, Grenzen sowie des Wassers durch Verhandlungen eine Lösung zu finden. Beide Seiten wissen – auch wenn sie es nicht so sagen -, dass ein Friedensabkommen sich letzten Endes nach dem Clinton-Taba-Genf-Modell gestalten wird. Und beide Seiten wissen, dass im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen die Zeit der Extremisten kommen wird.
In der Tat hoffen die Extremisten auf beiden Seiten auf ein Scheitern der Verhandlungen, auf eine Sackgasse. Die Zeit spielt nicht für die Israelis und die Palästinenser. Sie ist hauptsächlich auf der Seite der Radikalen.
Die Hauptbürde des Fortschritts liegt auf den Schultern der israelischen Regierung und der öffentlichen Meinung Israels, da Israel die palästinensischen Gebiete kontrolliert und nicht umgekehrt. Wenn Ehud Olmert sich entscheidet, den Falken innerhalb seiner Koalition die Möglichkeit zu geben, den gesamten Prozess zu stoppen, würde innerhalb kurzer Zeit Netanyahu an die Macht kommen. Außerdem würden dann auch auf der palästinensischen Seite die Extremisten die Gemäßigten besiegen, und statt Mahmoud Abbas würden wir einer kriegerischen Front gegenüberstehen, die vom Iran gesteuert wird.
Olmerts Führungsstärke wird nicht nur durch seine Fähigkeit des Manövrierens zwischen seinen Koalitionspartnern Avigdor Lieberman und Eli Yishai getestet werden, sondern mehr noch durch seine Entschlossenheit bei der Herbeiführung eines historischen Wandels.
Israels Rechte argumentiert, dass Mahmoud Abbas zu schwach ist und ein Friedensschluss daher nicht der Mühe wert wäre. Es ist dies dasselbe rechte Lager, das argumentiert hat, dass Arafat zu gefährlich und daher auch mit ihm ein Friedenschluss nicht der Mühe wert sei. In Wahrheit besteht jedoch eine direkte Verbindung zwischen einem Niedergang oder einem Erstarken von Abbas’ Stellung und dem, was sein gemäßigter Weg durch Verhandlungen mit Israel erreichen bzw. nicht erreichen wird. Abbas ist nur schwach, solange wir ihn schwach machen, in dem wir ihm keine substantielle Errungenschaft zugestehen.
Was wird passieren, wenn die gegenwärtigen Gespräche scheitern? Die Zwei-Staaten-Lösung wird in diesem Falle womöglich ihren Niedergang erleben, und wir würden zwischen zwei historischen Desastern wählen müssen: einem Staat (mit baldiger arabischer Mehrheit) zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer oder einem israelischen Apartheid-Regime, dass die besetzten Palästinenser unterdrückt, während diese sich mit Gewalt zur Wehr setzen.
Wir müssen nach Annapolis gehen und uns in der Folge weiter voran bewegen, basierend auf der Erkenntnis, dass beide Völker bereits mehr oder weniger wissen, wie das endgültige Abkommen aussehen wird: Palästina in den Grenzen von 1967, neben Israel, mit gegenseitigen Grenzänderungen, ohne Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge nach Israel und mit zwei Hauptstädten in Jerusalem. Jeder weiß dies – selbst die Gegner auf beiden Seiten. Der Patient, sowohl der Israel als auch der Palästinenser, wartet bereits auf die Operation. Werden die Ärzte genug Mut zeigen?
(Yedioh Ahronot, 22.11.07) |