Dass das Thema Misrachim und Aschkenasim noch immer für Emotionen sorgt, bewies zuletzt der Fall Shlomo Maoz: Maoz, Chefvolkswirt von Excellence Investments, hatte im Januar dieses Jahres in einem Vortrag am Sapir-College schwere Vorwürfe gegen die vermeintliche „aschkenasische Elite“ laut werden lassen und unter anderem erklärt, Bank Leumi, die traditionsreichste israelische Bank, sei „eine Bank von Weißen. Nur Weiße können dort eine Stelle bekommen“. Des Weiteren stellte er eine These auf, nach der die Kibbuzim und Moshavim „Land gestohlen“ hätten.
 Maoz während seines Vortrages
Maoz‘ Vortrag führte dazu, dass sein Arbeitgeber Excellence ihn mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entband.
In den folgenden Wochen entbrannte in den Feuilletons und in den Diskussionsforen der Nachrichtenseiten eine Debatte über aschkenasische Hegemonie, misrachische Befindlichkeiten und die Überflüssigkeit oder Notwendigkeit der Frage nach ethnischer Herkunft.
Die Soziologin Eva Illouz legte in einem mehrteiligen Gastbeitrag für Haaretz dar, wie sie erst in Israel gemerkt habe, dass sie einer diskriminierten Minderheit angehöre. Sie sei in Marokko geboren und in Frankreich aufgewachsen, und die Tatsache, dass sie Misrachit sei, habe für sie nie eine Rolle gespielt – bis man ihr in Israel erklärt habe, sie sei eben keine „echte Misrachit“. Von aschkenasischer Seite habe es geheißen, sie interessiere sich schließlich für Proust, Rilke und Schubert. Ein misrachischer Bekannter dagegen habe ihr vorgehalten, nur wer die Geschichte der Erniedrigung in sich trage, wie sie die Einwanderer nach Israel durchgemacht hätten, könne sich wirklich als Misrachi bezeichnen.
Darauf reagierte Itamar Handelman Smith ebenfalls in einem Gastbeitrag, in dem er erklärte, abgesehen von den israelischen Arabern seien die Aschkenasim die diskriminierte Minderheit in Israel. Ein „aschkenasisches Establishment“, wie es unter anderem von Illouz angenommen werde, existiere nicht und habe auch nie existiert. Die Institutionen in Israel und im britischen Mandatsgebiet Palästina seien nicht aschkenasisch gewesen, im Gegenteil hätten die Angehörigen des Yishuv sehr schnell jede Verbindung nach Europa verloren. Dies habe sich unter anderem in der strikten Ablehnung des Jiddischen als Sprache ausgedrückt, eine Ablehnung, die für Ladino und Arabisch, die Sprachen der orientalischen Juden nicht gegolten hätte.
Einer der letzten Artikel zum Thema stammt im April von Uri Misgav. Er erklärt: „In Israel 2012 ist eine ethnische Debatte anachronistisch, was die Gegenwart betrifft und beinahe vollkommen irrelevant, was die Zukunft betrifft. […] Wie lange noch? Früher einmal ging es darum, wo man herkam, bevor man nach Israel eingewandert war. Dann lautete die Frage, wo die Eltern geboren waren. Heute gehören die meisten Israelis bereits zur Generation der Enkel und Urenkel.“
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