Freitag, 23.05.2008




Militärgeheimdienstchef Yadlin zu den Bedrohungen Israels
IV. Palästinensische Autonomiebehörde

Ari Shavit: Ist die palästinensische Autonomiebehörde in der Lage, bereits in diesem Jahr zu einem bindenden Abkommen der Zwei-Staaten-Lösung zu gelangen?

„Die Flexibilitätsweite, die die Palästinenser zeigen, ist relativ eng.“

„Es gibt drei gewichtige Kernthemen, an denen das Abkommen stehen und fallen wird: die Grenzen, die Flüchtlinge und Jerusalem. Bei der Frage der Grenzen, glaube ich, dass es seit 2000 einen Fortschritt gibt. Es besteht auf palästinensischer Seite die Bereitschaft zu einem Gebietstausch. Es stellt sich die Frage nach dem Umfang des Tausches, aber es gibt das Bewusstsein dafür, dass bestimmte Siedlungsblöcke im Austausch für Gebiete, die man von Israel erhält, bestehen bleiben werden. Ich glaube, dass sich die Diskrepanzen überbrücken lassen. Die Frage Jerusalems ist von kreativen Regelungen abhängig, mit denen beide Seiten leben können. Die Frage der Flüchtlinge ist sehr viel schwieriger. Es gibt hier die sowohl palästinensische Forderung, dass Israel sowohl seine Verantwortung anerkennt, als auch den Willen, eine erhebliche Anzahl von Flüchtlingen praktisch nach Israel zurückzuführen. Von dieser Forderung haben sich die Palästinenser bisher noch nicht verabschiedet. Daher ist die Thema der Flüchtlinge das am schwierigstem zu überbrückende.“

A.S.: Wenn es zu keinem Abkommen kommt, was werden die Folgen vor Ort sein?

„Die Frage ist, wie das Scheitern präsentiert wird. Wenn es heißen wird, man brauche mehr Zeit, einen anderen Kontext und die Entwicklung neuer Ideen,  würde die Situation angenehmer sein. Wenn es einen scharfen Konflikt gibt und Schuldzuweisungen, schätze ich, dass die Führung der Autonomiebehörde sehr geschwächt wird, bis hin zum Ausscheiden der Führungsriege.“

A.S.: Wird Abu Mazen [Mahmoud Abbas] bei einem Scheitern des Annapolis-Prozesses die Gebiete verlassen?

„Das schließe ich ganz und gar nicht aus.“

A.S.: Würde sich das Szenario von 2000 wiederholen? Würde eine dritte Intifada ausbrechen?

„Die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs einer dritten Intifada ist gering. Aber das palästinensische Lager, das ein Abkommen unterstützt, würde geschwächt werden und die gegenwärtige Führung voraussichtlich verschwinden. Im palästinensischen System würden Prozesse des Verfalls, des Chaos und einer Machtübernahme der Hamas beginnen. Dies sind Prozesse, die nicht gut für Israel sind.“

A.S.: Und umgekehrt, wenn ein Abkommen erzielt würde, wenn es die Zustimmung der palästinensischen Öffentlichkeit erlangen und vor Ort umgesetzt werden können würde?

„Sollte das Abkommen von den Palästinensern als gerecht und fair aufgenommen werden, schätze ich, dass Abu Mazen es per Volksentscheid verabschieden könnte. Demgegenüber gestehe ich der Fähigkeit zur Umsetzung des Abkommens eine sehr viel geringere Aussicht zu. Die Lage der Autonomiebehörde und die Lage ihrer Sicherheitsapparate  wird es ihr schwer machen, die Terroristen zu bekämpfen, und dafür sorgen, dass eine Regelung in absehbarer Zukunft nicht umgesetzt werden kann. Abu Mazen will eine Regelung. Aber ich muss darauf hinweisen, dass er und seine Leute nicht genug in den Aufbau einer politischen Infrastruktur und die Einstimmung der palästinensischen Herzen auf einen Frieden investieren.“

(Haaretz, 16.05.08)