Mittwoch, 17.09.2008




Die Krise auf dem Weg hierher

Leitartikel der Haaretz-Redaktion

Das finanzielle Unwetter, das den amerikanischen Markt heimsucht, erscheint von Tel Aviv aus betrachtet wie eine auswärtige Krise, deren Beziehung zu Israel zweitrangig ist im Vergleich zu dem Drama, das sich jenseits des Meeres vor unseren Augen abspielt. Die an der Wall Street offenbar gewordenen Krankheiten rühren von einem komplexen Finanzapparat her, der sich auf einen seit Jahren inflationierten Immobilienmarkt stützt. In dem Moment, in dem der Immobilienmarkt dort zusammengebrochen ist, kollabierte das Finanzsystem, das ihn mit billigen und verfügbaren Geldern gefüttert hatte, und auch die Stabilität riesiger Körperschaften wurde erschüttert.

Der Zusammenbruch alter Investitionsbanken wie Bear Stearns, die verkauft wurde, Lehman Brothers, die Bankrott ging, und Merril Lynch, die zum Verkauf an die Bank of America gezwungen war, wird das Antlitz der Wall Street verändern und eine strikte Regulierung des US-Marktes herbeiführen. Auch die Verstaatlichung der beiden Kreditinstitute Fannie Mae und Freddie Mac ist ein Ereignis, mit dem die US-Regierung, die den freien Markt heilig gehalten hat, noch viele Jahre wird umgehen müssen.

Das Finanzsystem in Israel funktioniert auf andere Art und Weise. Es ist weniger vollkommen, weniger aufgeblasen, weniger fremdfinanziert und insofern weit weniger einem Kollaps der Art ausgesetzt, wie man ihn den USA gesehen hat.  Die Banken und Versicherungsgesellschaften hierzulande sind recht stabil, und dank der Regulierungsentscheidungen, die während der vergangenen beiden Jahrzehnte als Ergebnis der Empfehlungen der Bejski-Kommission getroffen wurden, haben sich die meisten der den Bankaktivitäten inhärenten Interessenkonflikte verringert.

Neben den Reformen im israelischen Finanzwesen hat der Markt auch einen beschleunigten Prozess der Exponierung gegenüber den globalen Märkten durchlaufen. Der Beitrag der Globalisierung zum Markt  infolge des Zustroms ausländischer Investoren nach Israel war enorm. Wie wir in diesen Tagen sehen, gibt es jedoch auch unvermeidbare Nebenwirkungen, die im Ausgesetztsein finanzieller Körperschaften in Israel gegenüber den Verlusten in Investitionen an der Wall Street zum Ausdruck kommen.

Israel spielt zwar bei dem finanziellen Schlingern, das die USA und die ganze Welt heimsucht, nur eine Nebenrolle, als globale Akteure fühlen jedoch auch israelische Unternehmen den Schock nur zu gut. Kurzfristig werden die Auswirkungen in Verlusten infolge von Investitionen in Finanzinstrumente auf dem amerikanischen Markt bestehen. Diesen Verlusten sind die großen Banken Hapoalim und Leumi sowie die Rentenfonds wie Mivtachim und der der Stromgesellschaft ausgesetzt. Alle wirtschaftlichen Körperschaften in Israel versuchen derzeit einzuschätzen, inwieweit sie den zusammengebrochenen bzw. den voraussichtlich zusammenbrechenden Firmen ausgesetzt sind. Langfristig werden wir mehr die anderen Auswirkungen der Krise zu spüren bekommen, wie den Niedergang der Auslandsinvestitionen und den Schaden für den Handel mit den USA und anderen Staaten. Eine Reduzierung der Aktivitäten wird wohl auch in israelischen Unternehmen zu Verlusten und Entlassungen führen.

Es wäre ein Fehler, diese Krise als Schicksalsschlag zu betrachten, dem man nichts entgegensetzen könne. Die Entscheidungsträger in Israel, in der Regierung und im Wirtschaftssektor, müssen für die Identifizierung der für die Krise anfälligen Stellen und ihre Minimierung sorgen, für eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik, die sich des in Wahlkampfzeiten anschwellenden Populismus enthält, und für eine Wettbewerbspolitik, die Unternehmen das Überleben ermöglicht, ohne der Inflation die Tore zu öffnen. Zwar ist Amerika schuld an dem Konflikt; Israel muss aber eine Antwort auf die Probleme finden, die sie hier bereits geschaffen hat und die sich in den vergangenen Tagen verschärft haben.

(Haaretz, 17.09.08)

Die im Newsletter veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder.