Montag, 10.11.2008




Livni zum Friedensprozess

Zum Abschluss einer Unterrichtung durch Israels stellvertretende Ministerpräsidentin und Außenministerin Tzipi Livni und den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas, in Sharm el-Sheikh hat das Nahost-Quartett mitgeteilt, dass es den von Israel und der PA geführten Prozess unterstützt und den Parteien die Fortführung ihrer bilateralen Verhandlungen ohne internationale Intervention und gemäß den von ihnen selbst festgelegten Grundsätzen und Zeitplänen gestattet.

Das Quartett bekräftigte, die internationale Unterstützung sei daran geknüpft, dass die palästinensische Führung sich an die drei Bedingungen des Quartetts halte und die terroristische Infrastruktur zerschlage; die internationale Gemeinschaft sei dem Kampf gegen Terrorismus, Hetze und Intoleranz verpflichtet. Faktisch hat sich die internationale Gemeinschaft die Richtlinien zu Eigen gemacht, die Israel als Basis für die Weiterführung und den Erfolg des Prozesses festgelegt hat.


Livni mit Abbas (Foto: GPO)

Außenministerin Livni lieferte die folgende Stellungnahme:

„Israels langfristige Interessen werden nur durch Dialog und ein umfassendes Abkommen mit seinen Nachbarn erreicht werden. Beide Parteien verstehen, dass sie auf derselben Seite stehen, dass nicht alles ein Nullsummen-Spiel ist, und sie glauben an die Notwendigkeit, den Annapolis-Prozess auf Grundlage seiner Grundsätze fortzuführen; sie stimmen darin überein, dass mit Mut, Führungskraft und korrekter Verhandlungsführung ein Erfolg möglich ist.

Ich verstehe die Skepsis in Anbetracht der ausgebliebenen Offenlegung von Verhandlungsdetails und des bisherigen Scheitern beim Erreichen der Ziele. Die Parteien verstehen besser als jeder andere die Dringlichkeit eines Abkommens, aber sie wissen auch besser als jeder andere, womit sie leben können und womit nicht, was angemessen ist und welcher Zeitplan der beste ist. Die internationale Gemeinschaft muss Toleranz und Respekt beweisen und die Parteien die Verhandlungen selbst führen lassen.

Wir anerkennen die Notwendigkeit der Gründung eines palästinensischen Staates unter der Bedingung, dass er kein Terrorstaat sein wird. Die Umsetzung der Road Map, die das Ändern der Situation vor Ort beinhaltet, muss der Umsetzung des Arrangements vorangehen. Der Prozess hat bereits eine Verbesserung der Situation im Westjordanland herbeigeführt und ist der Anfang eines signifikanten Fortschritts. Der Fortschritt in den diplomatischen Gesprächen macht gemeinsam mit dem entschlossenen Kampf gegen den Terror den Fortschritt möglich.

Die Prinzipien, die die Verhandlungen leiten, sind:
- Nichts wird vereinbart, bis alles vereinbart ist.
- Notwendig ist ein umfassendes Abkommen, kein Teilabkommen, keine allgemeine Grundsatzerklärung.
- Unsere Völker wollen keine vagen Texte/Worte, die die Grundlage für zukünftigen Disput sein werden; sie wollen klare, konkrete Lösungen.
- Niemand will eine lediglich temporäre und kosmetische Errungenschaft; vielmehr will man eine wirkliche, nachhaltige Errungenschaft.
- Die Verhandlungen müssen bilateral zwischen den Parteien selbst geführt werden – die Parteien sind die Träger der Verhandlungen.
- Keine Partei soll nach Entschuldigungen in der Gegenwart suchen, um die Gespräche über die Zukunft anzuhalten. Die Zukunft kann nicht Geisel der Gegenwart sein.

Mehr als zehn Teams arbeiten an allen Themen, die zur Lösung des Konflikts erforderlich sind. Fortschritt ist erzielt worden in den Verhandlungen, die ernsthaft und intensiv sind – Hunderte von Treffen sind bislang abgehalten worden, und die Parteien glauben, dass die Elemente, die Grundprinzipien und das gegenseitige Vertrauen für eine gute Basis für ein Abkommen in der Tat existieren. Wir haben die Struktur des Abkommens vereinbart, die Paragraphen werden bereits entworfen, wir arbeiten an Karten und an der Entwicklung von Modellen der Zusammenarbeit.

Wir erwarten, dass die internationale Gemeinschaft diesen Prozess und die Parteien unterstützt und die geheime und bilaterale Natur der Gespräche sowie die Verpflichtung der Parteien gegenüber einem umfassenden, nicht einem bruchstückhaften Abkommen respektiert. Sie sollte sich nicht mit Vermittlungsvorschlägen und mit uns nicht abgestimmten Initiativen in die bilateralen Verhandlungen einmischen.

Sobald ein Abkommen erzielt ist, wird die internationale Unterstützung entscheidend sein. Die internationale Gemeinschaft und die Staaten in der Region müssen eine Atmosphäre schaffen, die der Koexistenz und der regionalen Zusammenarbeit förderlich ist. Wir bevorzugen politische und wirtschaftliche Hilfe für eine palästinensische Führung, die Israel anerkennt, die Abkommen mit uns respektiert und gegen den Terrorismus vorgeht. Wir rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, Extremismus und Terror zu verhindern.

Wir können die Bedrohungen und Herausforderungen des Prozesses nicht ignorieren; wir müssen realistisch sein. Der Gaza-Streifen wird von einer Terrororganisation kontrolliert. Die Situation im Westjordanland ist reversibel. Das kann nicht ignoriert werden. Extremismus und Terror darf kein politischer Erfolg gestattet werden. Es ist wichtig, dass die Gemäßigten die Agenda bestimmen.

Daher besteht eine wirkliche Notwendigkeit für regionale Unterstützung des Prozesses und regionale Bereitschaft, zum Wohle des Prozesses mit den Parteien zusammenzuarbeiten, und zwar durch:

- die Unterstützung eines jeglichen erreichten Abkommens
- die Unterstützung einer palästinensischen Führung, die Israel und die früheren Vereinbarungen mit Israel anerkennt und gegen den Terror vorgeht
- regionale Zusammenarbeit, die eine dem Prozess günstige Atmosphäre schafft
- eine schrittweise Normalisierung mit der arabischen Welt – um den Dialog zu stärken und auch um die israelische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, einen Preis für einen Frieden zu zahlen, der zu einem grundlegenden wirklichen Wandel in der gesamten Region führt.

(Außenministerium des Staates Israel, 09.11.08)


Livni äußerte sich in diesem Zusammenhang auch im Interview mit Arieh Golan:

„Ich arbeite daran, die Lektionen Anderer und die Lektionen der Vergangenheit zu lernen; all die Dramen der Vergangenheit, Überschriften, die nach draußen drangen, Versuche, den Prozess um einige Wochen zu verkürzen und alle Diskrepanzen mit Gewalt zu überbrücken, haben am Ende zur Gewalt geführt und nicht zu einem Frieden, der nicht nur auf dem Papier steht, sondern eine wirkliche Tatsache ist. Mit Absicht agieren wir still, wir handeln verantwortungsbewusst, ich handle so, um den Prozess auf verantwortungsbewusste Art und Weise voran zu bringen.“

„Würde ich glauben, dass es keine Hoffnung mehr gibt, würden wir den Prozess heute nicht mehr führen. In meinen Augen ist es aber sehr viel wichtiger, den Prozess gemäß den festgelegten Grundsätzen fortzuführen, auch wenn wir wissen, dass die Neugier von jedermann steigt. In diesem Prozess möchte ich nicht ein Thema abschließen, bevor ich mich über das zweite vergewissert habe. Ich möchte nicht die Grenze festlegen, bevor ich weiß, was auf der anderen Seite vor sich geht. […] Wann [der Prozess] abgeschlossen sein wird? Wenn wir zu einem Dokument gelangen, das die Interessen Israels festschreibt.“

(Kol Israel/ Reshet Bet, 09.11.08)