Dienstag, 30.12.2008




Raketenangriffe auf Israel

Auch heute haben palästinensische Terroristen aus dem nördlichen Gaza-Streifen ihren Raketenkrieg gegen Israel fortgesetzt. Bis zum frühen Nachmittag gingen bereits mindestens 12 Kassam-Raketen im westlichen Negev nieder. In der Kleinstadt Sderot wurde ein Wohnhaus direkt getroffen, wobei eine Person leicht verletzt wurde. Unzählige Menschen erlitten einen Schock. Auch in Ashkelon und Netivot landeten Raketen.

Gestern schlug eine Rakete nördlich der Küstenstadt Ashdod ein. So weit nördlich war bisher noch keine Rakete aus dem Gaza-Streifen gekommen.

(Yedioth Ahronot, 30.12.08)


Die israelischen Opfer

Bislang sind bereits vier israelische Staatsbürger bei Raketen- und Mörsergranatenangriffe aus dem Gaza-Streifen ermordet worden.

Der 58-jährige Beber Vaknin aus Netivot wurde am Samstag in seiner Heimatstadt bei einem Raketeneinschlag in einem Wohnhaus getötet.

Gestern starb der israelische Araber Hani al-Mahdi (27) aus dem Beduinendorf Ar’ur im Negev, als eine Grad-Rakete auf einer Baustelle in Ashkelon einschlug.

Irit Sheetrit (38) aus Ashdod wurde beim Einschlag einer Grad-Rakete in ihrer Heimatstadt getötet. Die Hamas übernahm die direkte Verantwortung für diesen Angriff.

Der drusische Unteroffizier Lufti Nasraladin (38) aus Daliat el-Carmel wurde bei einem Mörsergranatenangriff nahe Nahal-Oz getötet.

(Außenministerium des Staates Israel, 27.12.08)

 

Ein Krankenhaus unter Beschuss

Aus Angst vor Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen musste das etwa 17 km nördlich von ihm gelegene Barzilai-Krankenhaus in Ashkelon am Samstag seine wichtigsten Stationen in einen Schutzbunker im Keller verlegen.

Bereits im Februar und im Mai 2008 waren palästinensische Raketen in der Nähe des Krankenhauses eingeschlagen. Nachdem Israel nun seine Luftoffensive gegen palästinensische Terroristen im Gaza-Streifen begonnen hatte, setzte das Krankenhaus entwickelte Notpläne in die Tat um. Es aktivierte einen Krisenraum mit direkter Verbindung zu Militär, Polizei und Sanitätern an der Front. Stationen, deren Patienten am wenigstens mobil sind (wie z. B. die geriatrische, die Neugeborenen- und die Entbindungsstation), wurden in den Keller verlegt.

Am Sonntag gingen zwei Raketen direkt in Ashkelon nieder und 22 weitere in der näheren Umgebung. Die Verletzten wurden in der behelfsmäßig geschützten Notaufnahme des Barzilai-Krankenhauses behandelt. Am Montag starb der 27jährige israelische Bauarbeiter Hani al Mahdi aus dem Beduinendorf Aroer, als eine palästinensische Grad-Rakete auf einer Baustelle in Ashkelon einschlug. 14 weitere Personen wurden verletzt.

Der stellvertretende Direktor des Barzilai-Krankenhauses, Dr. Ron Lobel, sagt, das Krankenhaus versorge in Zeiten wie diesen normalerweise nur Notfallpatienten. Sobald diese stabil seien, würden sie in größere Krankenhäuser in Zentralisrael verlegt, wo die Patienten in sicherer Umgebung behandelt werden könnten. Zurzeit ist das 500-Betten-Krankenhaus mit 200 Patienten belegt.

Am Sonntag wurde in Ashkelon mehrere Male Raketen-Alarm gegeben. Im Barzilai-Krankenhaus suchten Ärzte, Patienten und deren Gäste Schutz und draußen auf der Straße die Fußgänger. Jedes Mal, nachdem der Alarm verebbt war, versuchte man, wieder zur Routine zurückzukehren. Doch dies war nicht für jeden so leicht. Die 59jährige Tzipi Moshe sagt: „Wenn es so plötzlich aus heiterem Himmel kommt, springt dir einfach das Herz aus der Brust. Wie wird das Ende aussehen? Ich denke, wir müssen einfach stark sein, aber das ist nicht so leicht.“

Auf der Kinderstation des Barzilai-Krankenhauses, die in den Keller verlegt wurde, liegen kranke Kinder aus dem Gaza-Streifen neben kranken israelischen Kindern. Und ein Clown läuft herum und versucht, die Kinder zum Lachen zu bringen. Lobel sagt, sein Krankenhaus habe engen Kontakt zum Shifa-Krankenhaus im Gaza-Streifen und übernehme viele der palästinensischen Patienten, die eine Behandlung benötigen, die das Krankenhaus in Gaza nicht bieten könne. Er sagt, es sei nicht ungewöhnlich, dass ein Kollege aus dem Gazastreifen ihn anruft und um Hilfe bittet, während Raketen auf Ashkelon niedergehen.

„Es mag sich vollkommen absurd anhören“, meint Lobel. „Doch wir haben das Privileg Ärzte zu sein. Unsere medizinische Ethik unterscheidet nicht zwischen den Patienten. Wir behandeln jeden, der behandelt werden muss.“

Eine Frau aus Gaza, deren zwei Monate alte Enkelin im Barzilai-Krankenhaus wegen eines Herzleidens behandelt wird, weint, als sie gefragt wird, wie sie zurechtkomme. Sie sagt, sie sei glücklich, dass ihre Enkelin die beste Behandlung in Israel bekäme, doch sie sorge sich um ihre Tochter und um ihre anderen Enkel in Gaza. Sie weigert sich, ihren Namen zu nennen oder ein Bild von sich machen zu lassen. Sie hat Angst, ihre Anwesenheit in Israel könnte in Gaza entdeckt werden und zu Vergeltungsmaßnahmen führen.

Einige Türen weiter ruht sich die 23jährige Israelin Keren Shaltiel aus, nachdem sie ihr zweites Kind auf die Welt gebracht hat. Sie sagt, es sei bizarr gewesen, in den Wehen zu liegen, während draußen Raketen explodierten. Als Einwohnerin der häufig beschossenen Stadt Sderot, sagt sie, sei sie solche Laute eigentlich gewöhnt, sie habe aber nicht damit gerechnet, dass sie auch ihre Entbindung begleiten würden.

„Heute ist für mich persönlich ein sehr glücklicher Tag“, sagt sie von ihrem Krankenhausbett im Keller aus. „Doch bin ich heute auch sehr besorgt um meine Stadt und um mein Land.“

(Haaretz, 28./29.12.08)

 

Die Strategie der Hamas: Raketen oder Medien

Von Barry Rubin

Nichts ist offensichtlicher als die Strategie der Hamas. Sie gibt Israel die Wahl zwischen Raketen und Medien, und Hamas hält dies für eine Situation, in der gilt: „Wir gewinnen – oder du verlierst.“

Option A: Die Waffenruhe

Die Hamas schließt eine Waffenruhe, die der Organisation Frieden und Ruhe gibt, die sie benötigt, um ihre Armee aufzurüsten und ihre Kontrolle über den Gaza-Streifen zu verstärken. So lange es keine Angriffe gibt, lässt Israel Hilfslieferungen passieren. Von einem westlich-pragmatischen Standpunkt aus betrachtet, ist dies eine großartige Situation für die Hamas.

Doch die Hamas ist keine pragmatische Organisation westlicher Prägung. Frieden und Ruhe sind ihre Feinde. Nicht nur aufgrund ihrer Ideologie – dem göttlichen Gebot, Israel zu zerstören –, oder ihres Selbstbildes – als heroische Märtyrer –, sondern auch, weil sie den Kampf braucht, um die Massen für den andauernden Krieg zu rekrutieren und die Bevölkerung um sich zu einen.

Die Hamas hat keinen Plan, das Befinden des Volkes zu verbessern oder Kinder auszubilden, damit sie Ärzte, Lehrer und Ingenieure werden können. Ihr politisches Programm hat nur eine Grundlage: Krieg, Krieg, endlosen Krieg, Aufopferung, Heldentum und Märtyrertod bis zum totalen Sieg.

Deshalb beendet die Hamas die Waffenruhe.


Option B: Die Raketen

Und so beendet die Hamas die Waffenruhe und lässt Raketen auf Israel regnen, begleitet von Mörsergranaten und gelegentlichen Versuchen, die Grenze zu überwinden und auf der anderen Seite Terrorangriffe durchzuführen. Israel reagiert nicht.

Die Hamas triumphiert: Ihr seid schwach, ihr seid verwirrt, ihr seid hilflos. Komm, Volk, stehe auf und vernichte den Papiertiger! So werden weitere Menschen rekrutiert, die Palästinenser im Westjordanland betrachten jene, die den Feind bekämpfen, mit Bewunderung, und die arabischsprachige Welt ist beeindruckt.

Erinnert euch an 2006, sagen sie. Es ist genau wie mit der Hisbollah. Israel ist hilflos gegen die Raketen. Warum bekämpfen unsere Regierungen Israel nicht? Lasst uns sie stürzen und tapfere, kämpfende islamistische Regierungen an die Macht kommen.


Option C: Die Medien

Aber dann wehrt sich Israel. Seine Flugzeuge bombardieren militärische Ziele, die von der Hamas absichtlich mitten unter Zivilisten platziert wurden. Falls eine große Gefahr besteht, Zivilisten zu treffen, greift Israel nicht an. Aber es gibt eine Grenze, unterhalb derer Israel bereit ist, dieses Risiko einzugehen, und das zu Recht.

Das selbstgefällige Lächeln ist jetzt aus den Gesichtern der Hamas-Führer gewichen. Aber noch haben sie eine weitere Waffe, ihre Reserven – sie appellieren an die Medien.

Die arroganten, heroischen Sieger von gestern verwandeln sich plötzlich in bemitleidenswerte Opfer. Opferzahlen werden von der Hamas bekannt gegeben und von Reportern akzeptiert, die sich nicht vor Ort befinden. Jeder, der getroffen wurde, ist natürlich ein Zivilist. Keine Soldaten, nirgends.

Und die Opfer sind unverhältnismäßig: Die Hamas hat das so arrangiert. Falls nötig, machen verständnisvolle Fotografen Fotos von Kindern, die so tun, als seien sie verwundet. Und wenn diese Bilder einmal in westlichen Zeitungen veröffentlicht werden, werden diese Behauptungen zu Fakten.

Es gibt dabei allerdings ein Problem. Raketen und Mörsergranaten können Kriege gewinnen, Zeitungsartikel nicht wirklich. Natürlich wird gleichzeitig auch materieller Schaden zugefügt, der die Entwicklung von Gaza zurückwirft.

Die Hamas kümmert sich darum nicht, aber indem sie sich auf eine Weise verhält, die die Zerstörung ihrer materiellen Grundlage garantiert, schwächt sich die Organisation selbst. Gerade weil die israelischen Angriffe gegen militärische Ziele gerichtet sind, wird die Hamas geschwächt.


Schlussfolgerung: Das Problem ohne Lösung

Natürlich erreicht Israel keinen kompletten Sieg. Die Hamas stürzt nicht. Das Problem ist nicht verschwunden. Denn die Hamas wird ihr Überleben zum Sieg erklären. Die Hamas, wie die PLO zuvor, erringt einen „Sieg“ nach dem anderen – und steht danach jedes Mal schlechter da.

Der Konflikt wird zurückkehren, wie auch immer und an welchem Tag diese Runde enden wird. Ruhe wird zurückkehren, Hilfsgüter werden in den Gaza-Streifen fließen. Und so wird sich der Prozess in der Zukunft wiederholen. 

Es gibt allerdings einen bedeutenden Unterschied. Israel nutzt seine Zeit nicht nur für militärische Vorbereitungen, sondern um seine Kinder auszubilden, seine Infrastruktur aufzubauen und seinen Lebensstandard zu verbessern. Die Hamas tut dies nicht.

„Wir glauben an den Tod“, sagt die Hamas, „ihr glaubt an das Leben.“

Man sei vorsichtig mit dem, was man sich wünscht – am Ende wird man es bekommen.

(The Jerusalem Post, 29.12.2008)