Donnerstag, 23.04.2009




Hoppla, Netanyahu hat Recht
Von Ari Shavit

Der israelisch-palästinensische Konflikt ist kein Konflikt um die Besatzung. Wenn es um die Besatzung ginge, wäre der Konflikt 1967 und nicht 1920 ausgebrochen. Wenn es um die Besatzung ginge, wäre er im Jahr 2000 zu Ende gegangen und würde nicht bis heute fortdauern. Wenn es um die Besatzung ginge, wäre es leicht, ihn durch einen vollen israelischen Abzug und eine anschließende volle Anerkennung Israels durch die Palästinenser zu beenden. Doch der Rückzug wird nicht vollzogen und die Anerkennung wird nicht gewährt, weil es in diesem Konflikt nicht um die Besatzung geht.

Der israelisch-palästinensische Konflikt findet auf drei Ebenen statt: Es geht um 1967, um 1947 und um 1917. Was ihm zugrunde liegt, ist die Tatsache, dass die jüdische Nationalbewegung das palästinensische Volk und seine Rechte auf dieses Land nicht anerkannte und dass die palästinensische Nationalbewegung das jüdische Volk und seine Rechte auf das gleiche Land nicht anerkannte.
Daraus folgt, dass Frieden nicht erreicht werden kann ohne die israelische Anerkennung des palästinensischen Volkes und des palästinensischen Nationalstaats und ohne die palästinensische Anerkennung des jüdischen Volkes und des jüdischen Nationalstaats. Der einzige Weg zum Frieden ist die wahre gegenseitige Anerkennung.

Israel ist 1993 in Oslo, 2000 in Camp David und 2008 in Annapolis ein ganzes Stück in Richtung dieser notwendigen gegenseitigen Anerkennung gegangen. Zuerst erkannte es das palästinensische Volk an, dann stimmte es der Gründung eines palästinensischen Staates zu und schließlich akzeptierte es den beinahe vollständigen Rückzug und die Teilung Jerusalems. So brach es Tabu um Tabu, streifte Weigerung um Weigerung ab. Jedoch weder in Oslo noch in Camp David und auch nicht in Annapolis haben die Palästinenser parallel dazu die gleiche Wegstrecke zurückgelegt. Sie brachen kein Tabu und lösten keine fundamentale Weigerung auf. Bis heute erkennen sie das jüdische Volk, seine Rechte und seinen Nationalstaat nicht an.

Den besten konkreten Ausdruck dieser palästinensischen Weigerung gab es im vergangenen Jahr. Im Sommer 2008 machte der damalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas einen beispiellosen Friedensvorschlag: Israel würde nur 6,5% des Westjordanlandes (die Siedlungsblöcke) behalten und stattdessen den Palästinensern eine volle territoriale Entschädigung am Berg Hebron, im Beit-She’an-Tal und in den Bergen von Judäa geben. Jerusalem würde auf demografischer Basis geteilt werden, wobei der heilige Bezirk einer besonderen internationalen Herrschaft anvertraut werden sollte. Doch Abu Mazen akzeptierte Olmerts Angebot eines Endes der Besatzung nicht. Er lehnte das Prinzip, das Land in zwei Nationalstaaten zu teilen, auf der Stelle ab.

Die Bedeutung all dessen ist klar: Zwischen Israel und den Palästinensern existiert eine doppelte Asymmetrie. Auf der einen Seite ist Israel der Besatzer und die Palästinenser sind die Besetzten. Doch auf der anderen Seite erkennt Israel das Recht auf die Existenz eines Staates für das palästinensische Volk an, während die Palästinenser das Recht auf die Existenz eines Staates für das jüdische Volk nicht anerkennen.

Wenn man versuchen will, Frieden zu erreichen, muss diese beiden Asymmetrien gleichzeitig begegnet werden. Man muss von Israel fordern, auf die Gründung eines palästinensischen Staates hinzuwirken, und von den Palästinensern muss die Anerkennung des  Judenstaates gefordert werden.

Tzipi Livni hat dieses Problem in seiner Tiefe verstanden und auch eine Lösung vorgeschlagen: eine Änderung der hohlen Formulierung von einer Zwei-Staaten-Lösung in die Formulierung von „zwei Nationalstaaten“. Nein, die Palästinenser müssen den jüdischen Staat nicht vorab anerkennen. Doch so lange sie das nicht tun, gibt es auch für Israel keinen Grund, einen palästinensischen Staat anzuerkennen.

Eine Möglichkeit besteht darin, die Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu führen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Verhandlungen zwischen zwei Parteien zu führen, die sich der Lösung der zwei Nationalstaaten, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit existieren, verpflichten. So oder so, eine dritte Möglichkeit ist ausgeschlossen.
Für Israel steht es außer Frage, das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung vorab anzuerkennen, solange die Palästinenser sich weigern, das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung anzuerkennen. Diese Asymmetrie wird nicht zum Frieden führen. Früher oder später wird sie zu einem blutigen Krieg führen.

Binyamin Netanyahu versucht nun, Livnis Metaprinzip umzusetzen. Wie erwartet höhnt die Linke. Die sogenannte Friedensgemeinde versucht zu sabotieren. Doch in diesem bestimmten Fall hat Netanyahu Recht. In dieser Frage vertritt er die feste Meinung der israelischen Mehrheit. Wenn es eine Chance für einen israelisch-palästinensischen Frieden gibt, muss es ein Frieden zwischen zwei Nationalstaaten sein.

(Haaretz, 23.04.09)

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