Auch ein halbes Jahr nach der Operation Gegossenes Blei dauert die Debatte über ihre Recht- und Verhältnismäßigkeit weiter an. Der renommierte israelische Philosoph Asa Kasher hat sich in einem Beitrag für die Zeitschrift Azure mit den moralischen, ethischen und rechtlichen Aspekten des israelischen Militäreinsatzes im Gaza-Streifen auseinandergesetzt.
„Eine solche Analyse hat auf zwei Ebenen stattzufinden: Erstens muss man die Anforderungen bestimmen, die jede Militäroperation in Anbetracht von Israels moralischen Prinzipien als jüdischer und demokratischer Staat erfüllen muss; die ethischen Codices der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) und der Allgemeinen Sicherheitsbehörde (SHABAK); die Gesetze, die Israel als Rechtsstaat einhalten muss; und die Gesetze, die es als funktionstüchtiger Staat einhalten muss, der sowohl dem jus gentium (dem ‚Völkerrecht’, d.h. internationalen Normen, die auf alle Staaten anzuwenden sind) als auch dem jus inter gentes (dem ‚Gesetz zwischen den Völkern’, d.h. von souveränen Staaten geschlossenen Verträge und Abkommen) unterliegt.
Zweitens muss man ermitteln, ob die im Laufe der Operation getroffenen Entscheidungen, erteilten Befehle und ausgeführten Handlungen diese moralischen, ethischen und rechtlichen Anforderungen erfüllen. Um dies zu tun, bedarf es einer möglichst verlässlichen, vollständigen, gründlichen und fehlerfreien Bestandsaufnahme der relevanten Fakten. Es ist unmöglich, eine moralische, ethische oder rechtliche Beurteilung einer Operation abzuschließen, bevor eine Untersuchung des politischen Hintergrunds und eine Prüfung des professionellen Verhaltens des Militärs erfolgt sind. Während und nach der Operation Gegossenes Blei haben sich viele Menschen, sowohl in Israel als auch im Ausland, so über sie geäußert, als ob diese Art von Untersuchung bereits abgeschlossen worden sei und ihre Befunde ihnen zu Verfügung stünden. Da vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass nicht eine einzige dieser Stellungnahmen auf einer verlässlichen, vollständigen, gründlichen und fehlerfreien Bestandsaufnahme der Fakten beruhte, können ihre Behauptungen in diesem Stadium keine moralische, ethische oder rechtliche Bedeutung in sich tragen.
Für den Augenblick sollten wir uns daher auf die oben erwähnte erste Phase der Untersuchung konzentrieren und uns darauf beschränken, die moralischen, ethischen und rechtlichen Anforderungen zu prüfen, an die Entscheidungsträger und Teilnehmer von Militäraktionen gebunden sind. Diese Anforderungen datieren voraus und sind nicht von den spezifischen Fakten der Operation Gegossenes Blei abhängig. Obgleich wir nicht in der Lage sind, eine umfassende Antwort auf all die Fragen in Bezug auf das zu geben, was sich im Januar 2009 im Gaza-Streifen ereignet hat, erlauben uns die bislang gesammelten Tatsachen dennoch, zu dem Schluss zu kommen, dass ein beträchtlicher Teil der gegen Israel und die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte gerichteten Kritik während und nach der Operation – gelinde gesagt – auf sehr dünnem Beweismaterial basiert.“
„Vorwürfe von Kriegsverbrechen gegen Israel oder seine Soldaten, die zur Zeit der Operation erhoben wurden und heute - lange bevor die Untersuchungen abgeschlossen und die Lehren aus ihrer Veröffentlichung gezogen sind - weiter erhoben werden, sind weder objektiv noch seriös. Die Leichtfertigkeit, mit der sie erhoben werden, genügt als Beweis dafür, dass sie ihre Inspiration aus der tückischen Propaganda von Israels Feinden beziehen.“
Den vollständigen Artikel gibt es unter dem folgenden Link: http://www.azure.co.il/article.php?id=502
(Azure, Juli 2009)
|