Von Gabi Siboni
Der syrische Außenminister Walid Moallem sagte jüngst: „Ihr wisst, dass der Krieg diesmal bis in eure Städte gelangen wird.“ Diese Äußerung bestärkt die Erkenntnis, dass die syrische Strategie in einem zukünftigen Krieg auf einen Angriff auf Bevölkerungszentren in Israel basiert. Es scheint, dass der Feind nach dem Scheitern seiner Versuche mit konventionellen militärischen Mitteln und Terror nun den schwachen Punkt Israels lokalisieren möchte. Wie er es sieht, sind die Städte dieser Schwachpunkt.
Die Worte des Ministers zeigen das Ausmaß, bis zu dem Syrien sich ein terroristisches Handlungskonzept zu Eigen gemacht hat, das sich von dem der Hisbollah oder der Hamas nicht unterscheidet. Wenngleich es anders als diese Organisationen seine Raketenwerfer bislang noch nicht in Bevölkerungszentren verlagert hat, die so zu menschlichen Schutzschilden werden, muss Israel unverzüglich davor warnen – auf jedem bedeutenden Schauplatz der Welt - , dass Syrien gegen die Regeln des Kriegsrechts verstößt. Auf diese Art von Drohung muss eine Antwort gefunden werden, die sicherstellt, dass der Feind weiter davor zurückschrecken wird, sie zu verwirklichen. Ebenso muss Israel den ethischen und rechtlichen Implikationen dieser syrischen Drohung begegnen.
Was die Drohung von Seiten der Hisbollah und der Hamas angeht, ist die Situation komplizierter. Bei einer Konferenz, die vor kurzem im Institut für Nationale Sicherheitsstudien stattfand, wurden die möglichen Handlungsprinzipien der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) in einer zukünftigen Auseinandersetzung mit der Hisbollah dargelegt. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Tatsache, dass die Organisation ihre Waffensysteme inmitten von südlibanesischen Dörfern platziert. Sollte die Hisbollah das Feuer eröffnen, um israelische Zivilsten zu treffen, würde der israelische modus operandi, der während des zweiten Libanonkriegs eingeführt wurde, in einem Dreischritt in Kraft treten: Zuerst würden Ziele, die eine konkrete und unmittelbare Bedrohung für Israels Bürger darstellen, sofort angegriffen werden, während gleichzeitig die größtmögliche Anstrengung unternommen werden würde, Schaden von unbeteiligten Zivilsten abzuwenden. Dann würde die Bevölkerung dazu aufgerufen werden, das Kampfgebiet zu ihrem eigenen Schutz rechtzeitig zu verlassen. Danach würde ein breiter Angriff auf Ziele der Hisbollah in bewohntem Gebiet beginnen, nachdem die Bevölkerung gewarnt wurde.
Prof. Asa Kasher schlug auf der Konferenz vor, zwischen regulären Kriegen, bei denen beide Seiten das Kriegsrecht akzeptieren, und nicht-regulären Kriegen, bei denen der Feind die normativen Pflichten nicht akzeptiert, zu unterscheiden. Im zweiten Libanonkrieg und während der Operation Gegossenes Blei hat der Feind die Regeln des Kriegsrechts nicht akzeptiert, wohingegen Israel die Last zu tragen verpflichtet war. Israel kann erklären, dass es sich bei mangelnder Gegenseitigkeit der Akzeptanz des Kriegsrechts eine eigene ethische Doktrin zu Eigen machen wird. Es wird den moralischen Grundsätzen der Doktrin des gerechten Krieges Rechnung tragen, je nachdem, inwieweit die Regeln des Kriegsrechts von beiden Seiten befolgt werden, jedoch bei fehlender Wechselseitigkeit die Maßnahmen ergreifen.
Ähnlich der US-amerikanischen Militärdoktrin in Afghanistan, die teilweise veröffentlicht wurde, wäre es angemessen, die Möglichkeit einer offiziellen Veröffentlichung der ethischen Handlungsgrundsätze der israelischen Armee zu erwägen. Die oben dargelegten Schritte könnten als Basis für eine solche Doktrin dienen, wenngleich ihre Adaption noch nicht ausreicht. Israel muss erklären, was seine Handlungsprinzipien sind, und dies in weitest möglicher Übereinstimmung mit der Doktrin der USA und den Doktrinen anderer demokratischer Staaten tun.
Eine solche Veröffentlichung könnte, begleitet von einer Aufklärungskampagne im In- und Ausland, die Vorgehensweise des Feindes delegitimieren, das Verständnis der internationalen Gemeinschaft für die Methoden der israelischen Armee während der Operation Gegossenes Blei erhöhen und am Ende sogar die Abschreckung verstärken und eine zukünftige Konfrontation in weitere Ferne rücken. Schließlich würde der Feind den Preis abwägen, den er zukünftig zu entrichten hätte.
Gabi Siboni ist Leiter des militärischen Forschungsprogramms am Institut für Nationale Sicherheitsstudien.
(Haaretz, 15.02.10)
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