Freitag, 03.06.2011




Neue Erkenntnisse in der Krebsforschung
Warum geben Krebszellen der Versuchung sich zu teilen so leicht nach? Es bieten sich viele Versuchungen, die Geschwindigkeitsbegrenzung zu überschreiten, aber nur waghalsige Fahrer geben diesen Impulsen nach. So gibt es in unserem Körper auch zahlreiche Wachstumsfaktoren, aber nur Krebszellen geben schnell der "Versuchung" durch diese Chemikalien nach, sich immer wieder zu teilen. Gesunde Zellen teilen sich im Gegensatz dazu nur, wenn sie Wachstumsfaktoren über acht aufeinanderfolgende Stunden ausgesetzt sind. Was ereignet sich während dieser acht Stunden in einer gesunden Zelle, die dem Aufruf sich zu teilen widersteht? Und noch wichtiger ist die Frage, was funktioniert in einer Krebszelle während dieser acht Stunden nicht richtig? Warum geben Krebszellen dem Einfluss der Wachstumsfaktoren so leicht und bereitwillig nach?



Anworten auf diese Fragen stellten sich in der Studie eines multidisziplinären Teams von Forschern am Weizmann Institut, die kürzlich in Molecular Cell veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass wenn eine Zelle erstmal ein Signal von einem Wachstumsfaktor erhält, zehn Gruppen von Genen, insgesamt etwa 8000, aktiviert werden. Die wichtigste Gruppe dieser Gene besteht aus etwa zehn Genen, die von einem Tumor-Unterdrücker p53 dirigiert werden: Diese Gene hindern die Zelle an der Teilung. Nur wenn die Zelle dem Wachstumsfaktor acht Stunden lang ausgesetzt ist, läßt p53 die DNS der Zelle los und ermöglicht ihre Teilung. Genau wie ein vorsichtiger Fahrer, der vor der Weiterfahrt erst einmal bremst, dient die Aktivierung von p53, während die Zelle das Wachstumsfaktorsignal erhält, als "Bremse" zur Verhinderung der unmittelbaren Teilung. Auf diese Art und Weise garantiert die gesunde Zelle, dass sie sich nicht aufgrund von zufälligen, falschen oder überflüssigen Wachstumssignalen teilt, sondern nur wenn es sich um ein anhaltendes und notwendiges Signal handelt. In Krebszellen ist dieser Mechanismus defekt, weil in den meisten von ihnen p53 defekt ist oder gar fehlt, sodass sogar ein flüchtiges Wachstumssignal sie dazu veranlasst, sich zu teilen und zu einem Krebsgeschwür heranzuwachsen.

Die Forschungsstudie wirft neues Licht auf die Unterschiede zwischen gesunden Zellen und Krebszellen. Sie könnte bei der Entwicklung neuer effektiver Ansätze in der Chemotherapie hilfreich sein. Krebsgeschwüre entwickeln manchmal  Widerstand gegen Therapien, u.a. auch weil sie den Körper belasten. Diese Belastung wiederum führt zur Produktion von Wachstumsfaktoren, die die Zellteilung bewirken, sodass die Behandlung sich letztlich selbst besiegt. Ein besseres Verständnis der Funktion der Wachstumsfaktoren kann bei einer Intervall-Verabreichung von Chemotherapien helfen, um dadurch eine anhaltende Teilung der Krebszellen zu verhindern.