
Wissenschaftler des Weizmann Instituts haben dem Puzzle der Größenverhältnisse ein signifikantes Teil hinzugefügt, das zeigt, wie Muster in ihrer Größe synchronisiert bleiben, während beispielsweise ein Embryo oder Organe heranwachsen und sich entwickeln. In einer neuen Studie, die im Magazin „Current Biology“ erschienen ist, konnten die Professoren Naama Barkai und Ben-Zion Shilo sowie der Forschungsstudent Danny Ben-Zvi aus dem Fachbereich Molekulargenetik zeigen, wie das Skalieren in der Entwicklung der Flügel von Fruchtfliegen funktioniert – d.h. wie dabei die Aderstruktur perfekt proportioniert bleibt.
Ihre Entdeckungen sollten sich auf viele verschiedene Entwicklungsbeispiele, so auch bei der menschlichen Embryonenentwicklung, anwenden lassen.
Die Wissenschaftler wussten, dass Musterung auf Morphogenen beruht, d.h. Substanzen, die von einer geringen Menge an Zellen im Zentrum der Embryonenentwicklung abgesondert werden, von wo aus sie sich nach außen ausbreiten. Während die Morphogene sich ausbreiten, sinken die Morphogenspiegel in den Zellen, die weiter vom Zentrum entfernt sind, und somit leitet die Konzentration ein Signal an die sich entwickelnden Zellen über ihren Platz und ihre Funktion im wachsenden Organismus weiter.
Aber ein solches Morphogen breitet sich in einem kleinen Organismus genau wie einem größeren Organismus in der gleichen Rate vom Zentrum her aus und würde sich daher nicht selbst auf das Skalieren auswirken.
Vor einigen Jahren fanden Forscher ein Molekül in Froschembryonen, das an den Rändern synthetisiert ist und sich nach innen ausbreitet. Auch dieses zweite Molekül fungiert als Morphogen. Und es ist die Wiederverteilung dieses Moleküls, die letztlich das Signal des Morphogens bestimmt, welches jede sich entwickelnde Zelle bekommt und dabei die Embryogröße berücksichtigt.
Als Nächstes schufen Barkai und Ben-Zvi ein theoretisches Modell, genannt Expansions- und Repressionsmodell, in dem ein Expander-Molekül am Wachstumsrand bei der Ausbreitung des zentralen Morphogens hilft, das letztlich die Synthese des Expander-Moleküls am Rand unterdrückt. Das Modell suggeriert wie das Zusammenspiel zwischen Ausbreitung am Rande und Unterdrückung, die vom Zentrum ausgeht, in einem Muster mit richtigem Größenverhältnis resultiert.
Ben-Zvi, Barkai und Shilo haben das theoretische Modell nun wieder ins Labor zurückgeholt und führen Experimente mit Fruchtfliegenlarven durch, in denen das Flügelmuster bereits in kleinen Strukturen, die sich Flügelscheiben nennen, beginnt.
Die Wissenschaftler sammelten nun Fruchtfliegenlarven verschiedener Größen. Durch Anwendung einer von ihnen entwickelten quantitativen Methode prüften sie die Ausbreitung der Konzentration eines Morphogens namens Dpp.
Dann eliminierten sie aus den Flügelscheiben ein weiteres sogenanntes Pentagon-Molekül – das nach ihrer Vermutung eine Expander-Rolle innehatte – und prüften die Ausbreitung erneut.
Ihre Ergebnisse zeigten, dass die Flügel der unveränderten Fruchtfliegen die Skalierungsaktivität des Morphogens enthüllten, wie das Modell vorhersagte, wobei die Signale proportional zur Flügelgröße waren.
Im Gegensatz dazu breitete sich in Fliegen ohne Pentagon-Molekül das Dpp-Morphogen in allen Flügeln auf gleiche Weise aus, ohne Berücksichtigung ihrer verhältnismäßigen Größe.
Damit konnten sie also zeigen, dass das Pentagon-Molekül in der Tat ein Expander-Molekül ist und dass sich das von ihnen entwickelte Expansions- und Repressionsmodell bei sehr unterschiedlichen Organismen wie Fröschen und Fruchtfliegen anwenden lässt.
Hierzu erklärt Shilo: „Das Besondere dieser Forschungsarbeit liegt in der Art und Weise wie sie nahtlos ein theoretisches Modell mit experimenteller Biologie verbindet. Mit diesem neuartigen Ansatz zur Untersuchung von Größenverhältnissen können wir uns anstelle der Suche nach komplexen molekularen Mechanismen erstmals ein solches relativ einfaches und universelles Modell anschauen.“
(Weizman Institut für Wissenschaft, 30.08.11) |