Von Ari Shavit
Die selbstmörderische Linke hat einen neuen Helden gefunden – Jimmy Carter. Endlich gibt es einen, der die Wahrheit sagt: Israel ist ein Apartheidstaat. Endlich gibt es einen, der die Gerechtigkeit entdeckt: Der palästinensische Terror und die Operationen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) sind gleichwertig. Endlich gibt es einen, der Frieden bringt: mit dem Sadat unserer Zeit, Khaled Mashal.
Für die selbstmörderische Linke ist Carter der gute amerikanische Polizist, der den bösen amerikanischen Polizisten ablöst und die dunkle Ära George W. Bushs beendet. Nach acht Jahren der Dürre haben wir wieder einen mutigen Südstaaten-Sheriff, der dem wirklichen Bösewicht nachjagt – Israel. Nun können wir uns also wieder auf den weichen Sofas ausstrecken und an der Wasserpfeife süßer Illusionen ziehen. Als hätte es Camp David nie gegeben. Als würde die Hamas nicht existieren. Denn Jimmy ist heimgekehrt. Carter hat die Hoffnung zurückgebracht.
Im Frühjahr 1979 machte Präsident Carter Geschichte: Er ließ Menachem Begin und Anwar Sadat ein Friedensabkommen unterzeichnen. Carter hatte den Frieden nicht initiiert. Mit einigen seiner Schritte hatte er ihn sogar gefährdet. Und dennoch führte der Präsident letzten Endes den Friedensgipfel und brachte Ägypten und Israel zu dem guten Ende, zu dem zu gelangen sie sich schwer getan hatten. Die strahlende Stunde auf dem Rasen des Weißen Hauses war die Sternstunde in seiner gescheiterten außenpolitischen Karriere. Niemand kann sie ihm nehmen.
Gleichwohl machte Präsident Carter im Herbst 1979 noch einmal Geschichte: Er verstand nicht, dass die Revolution Chomeinis vor der Tür stand, und hinderte den Shah daran, sie zu verhindern. Damit richtete er historischen Schaden an, dessen Ausmaß bis heute schwer zu fassen ist. Unter Berufung auf die Verpflichtung zur Mäßigung und gegenüber den Menschenrechten ermöglichte Carter es den Extremisten, die Macht im Iran zu ergreifen und ihn zu einer Macht des Bösen in der Region zu machen. Die Macht des Bösen schickt sich nun an, zu einer Atommacht zu werden. Sie gefährdet die Existenz Israels, die Stabilität des Nahen Ostens und den Weltfrieden. Carter trägt daran eine schwere Verantwortung.
Im November 1980 warfen die Amerikaner Carter geteert und gefedert aus dem Weißen Haus. Sie taten dies, weil sie fühlten, dass er Amerika destabilisiert und heruntergewirtschaftet hatte, und weil sie nicht länger ertrugen, wofür er stand: Schwäche, Frömmelei und Selbsterniedrigung vor dem Bösen.
Dreißig Jahre lang ist Carter von den meisten Amerikanern als selbstgerechter Narr wahrgenommen worden, der die grundlegende Physik der wirklichen Welt nicht versteht. Die Tatsache, dass der Prediger aus Georgia seine diplomatische Alchemie in eine moralisierende Theologie verpackte, verstärkte nur die Abscheu vor ihm. So wie die Politik Carters keine Politik ist, so ist seine Moralität keine Moralität. Es gibt keinen extremistischen Rabauken, dessen sich Carter nicht annehmen wird. Es gibt keinen Terrorist der Dritten Welt, den er nicht zu besänftigen versuchen wird.
Und dennoch ist das Problem nicht Carter, sondern der Carterismus. Der Carterismus ist Beschwichtigungspolitik; die fehlende Bereitschaft derjenigen im Westen, die das Gute fordern, die westlichen Werte zu verteidigen, wenn sie von Osten her angegriffen werden. Der Carterismus ist die Unfähigkeit aufgeklärter Menschen in Nordamerika und Nord-Tel Aviv, mit der Tatsache umzugehen, dass es manchmal auch in der Dritten Welt Böses gibt. Manchmal gibt es Böses auch in der arabischen Welt. Es gibt selbst palästinensisches Böses.
Carter selbst ist nicht sehr wichtig. Er hat zwar Mahmoud Abbas und den gemäßigten Palästinensern Schaden zugefügt, aber der Schaden ist begrenzt. Er hat zwar mit der Hamas von Frieden geredet, während die Hamas den Anschlag in Kerem Shalom initiierte, der zum Krieg anstacheln sollte, aber dadurch nur seine Armseligkeit offen gelegt.
Viel wichtiger als Carter ist der Carterismus. Der Carterismus ist eine schwere Plage, die sich innerhalb bestimmter Eliten in den Vereinigten Staaten, Europa und Israel festgesetzt hat. Der Carterismus ist eine gefährliche Verzerrung des Denkens und der Werte derjenigen, die sich rühmen, Denker mit Moral zu sein.
Die Möglichkeit, dass im November ein Demokrat zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird, macht die Diskussion um den Carterismus relevant und notwendig. Hilary Clinton oder Barack Obama werden entscheiden müssen, ob sie die kluge Tradition Roosevelt-Truman-Kennedys fortsetzen oder die Beschwichtigungspolitik Carters erneuern. Daher ist es wichtig, schon jetzt deutliche Worte über den Weg des Greises zu sprechen, der uns diese Woche besucht hat.
Dieser Weg ist nicht nur illusionär, sondern auch unmoralisch. Die Zusammenarbeit des Carterismus mit der Hamas ist eine Zusammenarbeit mit der Unterdrückung der Frau, der Inhaftierung von Homosexuellen und der Christenverfolgung. Die Zusammenarbeit des Carterismus mit der Hamas ist eine Zusammenarbeit mit religiöser Tyrannei, die das palästinensische Individuum mit Füßen tritt und danach trachtet, das jüdisch-israelische Kollektiv auszulöschen. Richtig, auch George W. Bush hat dem Nahen Osten Unglück gebracht. Aber der Weg zur Reparatur dieses Schadens besteht nicht in der Rückkehr zum Gräuel Carters. Sollte die israelische, europäische und amerikanische Linke sich für ein Linkssein à la Carter entscheiden, wird sie zu einer selbstmörderischen Linken werden.
(Haaretz, 24.02.08) |
Die apokalyptische Politik im Iran wurzelt im Scheitern der anfänglichen Vision der Islamischen Republik. Die Islamische Revolution von 1979 begann mit dem utopischen Versprechen, durch das islamische Gesetz und eine theokratische Regierungsform den Himmel auf Erden zu schaffen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts hat dieses Versprechen jedoch aufgehört die Massen anzuziehen. Im Angesicht dieses Scheiterns hat sich die islamische Regierung einer apokalyptischen Vision zugewandt, die den Unterdrückten Hoffnung bringt und sie selbst als Gegengift gegen unmoralisches und unreligiöses Verhalten präsentiert. Diese Vision, die als Heilmittel für individuelle und soziale Desintegration betrachtet wird, erscheint zu einer Zeit, da die Islamische Republik kein Segment der Gesellschaft befriedigt, weder das religiöse noch das säkulare.
Der Weg der Islamischen Revolution vom Utopismus zur Apokalyptik zeigt sich in der beispiellosen sozialen Neigung zu religiösen Ritualen, wie den Pilgerfahrten nach Mekka, Medina und zu den Schreinen des Iman, und auch im Wiederaufbau der Jamkaran-Moschee.
Als die iranische Regierung mit der Einlösung ihrer Versprechen scheiterte, suchten viele Iraner nach einer Alternative und fanden diese im Kult des Mahdi – des Messias oder verborgenen Iman -, um eine Weltregierung einzurichten. Die Zahl der Menschen, die selbst der Mahdi zu sein oder in direkter Verbindung mit ihm zu stehen vorgeben, hat sowohl in urbanen als auch ländlichen Regionen erheblich zugenommen. Die Flucht in diese primitive Form der Religion hat eine neue Sinnwelt geschaffen, in der Menschen Macht und Bedeutung haben, und nicht nur religiöse Konzepte.
Diese Primitiversion der Religion umfasst nicht nur soziales Verhalten, sondern stellt auch ein wichtiges Element im politischen Entscheidungsprozess dar. In dieser Hinsicht sind zwei politische Führungsfiguren besonders beachtenswert: das Staatsoberhaupt Ayatolla Ali Khamenei und Präsident Mamhoud Ahmadinejad.
Eine ausführliche Hintergrunddokumentation von Mehdi Khalaji stellt das Washington Institute for Near East Policy unter dem folgenden Link zur Verfügung: http://www.washingtoninstitute.org/templateC04.php?CID=286
(The Washington Institute for Near East Policy, 2008) |