Von Yaacov Hadas-Handelsman
Im "besten Fall“ werden die Bemühungen der Palästinenserführung um eine Anerkennung eines einseitig erklärten palästinensischen Staates bei den Vereinten Nationen dem Friedensprozess einen Bärendienst erweisen. Im schlimmsten Fall riskieren sie, eine Welle der Gewalt zu entfachen, die auch alle Perspektiven für Frieden in absehbarer Zukunft ernsthaft unterminieren würde. Aus diesem Grund müssen die Europäische Union und der Rest der internationalen Gemeinschaft ihr Möglichstes tun, um diesen Schritt zu verhindern und die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückzuführen.
Doch bevor wir auch nur beginnen, die Gefahren zu analysieren, die dieser Schritt darstellt, müssen einige grundlegende Missverständnisse ausgeräumt werden.
Zunächst einmal ist Israel nicht gegen die Entstehung eines palästinensischen Staates. Das Prinzip der Zweistaatenlösung findet heute bei der Mehrheit der israelischen politischen Parteien sowohl des linken als auch des rechten Spektrums breite Akzeptanz. Auch Ministerpräsident Netanyahu hat sich in zahlreichen öffentlichen Reden immer wieder dazu bekannt, angefangen bei der Rede in der Universität Bar Ilan 2009.
Zweitens drückt Israel sich nicht vor einer Lösung der Kernthemen des israelisch-palästinensischen Konflikts, sondern beabsichtigt, darüber in ernsthafte Verhandlungen einzutreten. Vor zwei Jahren hat Israel, ohne Vorbedingungen, einem zehnmonatigen Siedlungsbaumoratorium für das Westjordanland zugestimmt. Dies hat ohne jeden Zweifel bewiesen, dass sich Israel einer Verhandlungslösung verpflichtet fühlt. Von den Palästinensern wurde dies jedoch mit Verschleppung beantwortet.
Israel hat darüber hinaus für die ökonomische Entwicklung des Westjordanlandes wichtige Zugeständnisse gemacht und die Entwicklung des Handels und das Wirtschaftswachstum auf diesem Wege gefördert. Israel hat diese Politik trotz der negativen diplomatischen Kampagne der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) fortgesetzt, deren Ziel es ist, die israelischen Beziehungen zur Europäischen Union zu schädigen, Israels Mitgliedschaft bei der OECD zu unterminieren und es in anderen internationalen Foren anzugreifen.
 Netanyahu, Clinton und Abbas (Foto: Wikimedia Common)
In anderen Worten: Thema der Debatte ist nicht so sehr die äußere Form, die die Lösung des Konflikts annehmen wird, sondern der beste Weg, um dorthin zu gelangen. Israel ist darüber besorgt, dass die Palästinenser, indem sie die unilaterale Kampagne bei den Vereinten Nationen wählen, das Signal aussenden, dass sie überhaupt nicht verhandeln wollen.
Auf dieser Stufe sollte betont werden, dass die palästinensische Initiative bei den UN nicht nur kontraproduktiv ist, sie ist auch noch potentiell gefährlich. Versuchen wir einmal, uns die ersten Tage nach der Abstimmung bei den UN vorzustellen, die für die palästinensische Initiative positiv ausgegangen ist. Die Gefühlslage durchschnittlicher Palästinenser wird einer Achterbahn gleichen, das ursprüngliche Gefühl der Euphorie schnell ein Ventil benötigen. Ermutigt durch die Abstimmung und angespornt durch palästinensische Politiker scheint es vorherbestimmt, dass sie auf die Straßen der Städte des Westjordanlandes strömen werden, auch in Nachahmung der Demonstrationen in arabischen Ländern.
Doch der Jubel würde schnell Frustration und Ärger weichen, da die Abstimmung letztendlich keine greifbaren Veränderungen zur Folge hätte. Der Alltag der durchschnittlichen Palästinenser wird absolut unverändert bleiben, was wahrscheinlich zu ansteigenden Frustrationen führen wird, wenn sich das Versprechen der UN als leere Hülle herausstellt. Auch wenn es der PA ernst ist mit ihren Beteuerungen, für Ruhe zu sorgen, kann das Verhalten der Massen doch nicht vorausgesagt werden.
Doch sogar, wenn dieses Worst-Case-Szenario nicht eintritt, sollte man dem Schritt vor den UN ablehnend gegenüber stehen, da dieser die Zukunft des Friedensprozesses gefährdet. Solch ein Schritt untergräbt alle akzeptierten internationalen Rahmenbedingungen des Prozesses, einschließlich der Resolutionen 242, 338, 1515 und 1850 des UN-Sicherheitsrates, der “Roadmap“ und der verschiedenen Statements des Nahostquartetts.
Trotz aller Rückschläge, die er in den letzten Jahren erlitten hat, ist es dem Friedensprozess gelungen, neue Realitäten zwischen Israelis und Palästinensern vor Ort zu schaffen. Heute werden Beziehungen zwischen den Völkern auf vielen Gebieten über ein System von Vereinbarungen geregelt, die trotz aller politischen Probleme weiter bestehen. Es gibt zurzeit bilaterale Abkommen auf über 40 Gebieten ziviler Aktivitäten. Diese dienen als Basis für echte ökonomische, rechtliche und Sicherheitskooperation.
Darüber hinaus wird die gegenwärtige Palästinenserführung durch unilaterale Schritte im Endeffekt ihren eigenen Status als Vertretung ihres Volkes unterminieren. So hat sogar eine von den Palästinensern in Auftrag gegebene und von dem Oxford-Professor Goodwin-Gill kürzlich erarbeitete Studie erklärt, dass diese Initiative nicht primär Israel sondern der palästinensischen Sache selbst schaden würde.
Eine automatische Mehrheit in der UN-Vollversammlung wird den Palästinensern nur wenig mehr als einen symbolischen Sieg bringen. Jedes Jahr nimmt dieses Forum eine Reihe einseitiger Resolutionen an, die Israel hervorheben, angeblich um die Rechte der Palästinenser voranzubringen. Diese Resolutionen erreichen wenig, wenn überhaupt etwas, und tun nichts, um zwischen Israelis und Palästinensern Vertrauen aufzubauen, das sie im Kontext eines Konfliktes, der bereits so viele Jahrzehnte andauert, so sehr brauchen. Dies wird unzweifelhaft also auch das Schicksal einer Resolution für eine unilaterale Anerkennung eines palästinensischen Staates sein.
Die wirklichen Antworten auf den riesigen Komplex der Kernthemen des Konflikts sollten über einen schwierigen und andauerenden Verhandlungsprozess zwischen den Parteien gefunden werden. Die Themen sind bekannt, und nur die beiden Seiten selbst können eine Lösung dafür ausarbeiten. Die Hilfe der wichtigen internationalen Player ist natürlich willkommen, doch sie kann bilaterale Verhandlungen nicht ersetzen. Israel bleibt sehr daran interessiert, sich in bilateralen Verhandlungen zu engagieren, um den Konflikt zu lösen. Es liegt nun an den Palästinensern zu beweisen, dass sie derselben Sache verpflichtet sind.
(E!Sharp, 12.09.11)
Der Autor ist Botschafter des Staates Israel bei der Europäischen Union. |